max

Dipl. Chem. Maximilian Kubillus

Publikationen

[1] Kubillus, M.; Kubar, T.; Gaus, M.; Rezac, J.; Elstner, M. J. Chem. Theory Comput. 201510.1021/ct5009137

Projekt

Um keine Integrale während der Laufzeit berechnen zu müssen, werden in Density Functional Tight Binding (DFTB) für jedes Atom optimierte Wellenfunktionen und Elektronendichten erstellt und notwendige Integrale jeweils für Atompaare in verschiedenen Abständen tabelliert. Terme aus dem Energiefunktional, welche man nicht über die Kohn-Sham-Gleichung erhält, werden über ein gesondertes Potential in Form von Splines dargestellt. Moderne Implementationen von DFTB-Modellen (DFTB2 [1] oder DFTB3 [2]) nutzen das Self-Consistent Charge (SCC) Schema, welches die Referenzdichte aus den erstellten Tabellen nachträglich modifizieren kann. Hierbei wird die sog. Monopolnäherung verwendet, die jegliche zwischen zwei Atomen übertragene Ladung durch Sphären um den Atomkern darstellt.

Bei DFTB3 wird die DFT-Energie bis zur dritten Ordnung über eine Taylorreihe genähert, bei DFTB2 bis zur zweiten Ordnung. Auf Basis dieser Näherungen können molekulare Systeme und Festkörper gleichermaßen optimiert und simuliert werden. Allgemein werden Strukturen und Energien, speziell in DFTB3, mit ausreichender Genauigkeit beschrieben, sodass DFTB im Bereich der semi-empirischen Methoden einen festen Platz einnimmt und breite Anwendung, besonders in der biologischen Forschung, findet [3].

Jedoch existiert noch Bedarf für Erweiterungen des Formalismus. Die intermolekulare Wechselwirkung zwischen Molekülen (bzw. voneinander isolierten Abschnitten eines Moleküls) ist eines der wichtigsten Phänomene in biologischen Prozessen. Die Interaktion zwischen zwei DNA-Basenpaaren oder die Ausbildung höherer Strukturen von Proteinen sowie molekulare Erkennung an Rezeptoren oder Enzymen sind nur die prominentesten Vertreter. DFTB unterschätzt jedoch jegliche dieser attraktiven Wechselwirkungen. In extremen Fällen, wie am Beispiel von DNA-Basenpaaren zu sehen ist [4], zeigt DFTB gar repulsives Verhalten, ähnlich vieler Generalised Gradient Approximation (GGA) DFT-Funktionale. 2001 wurde von Elstner et. al. daher eine Korrektur für London-Dispersionskräfte auf Basis der Polarisierbarkeiten wechselwirkender Atome vorgeschlagen [4]. Jedoch reicht diese nicht, um den Einfluss des Ladungszustandes der Atome und sterische Wechselwirkungen zwischen den Molekülen zu beschreiben. Anders herum lässt sich z.B. auch bei Wasser beobachten, dass Wasserstoffbrückenbindungen überschätzt werden, was zu einer Überkoordination von Wasser in Simulationen führt. Durch diese zu starke Bindung zwischen einzelnen Wassermolekülen entstehen entstehen fälschlicher Weise Hohlräume [5, 6]. Speziell für Wasser werden aktuell empirische Korrekturen entwickelt, jedoch ist man weiterhin auf der Suche nach einer allgemeinen Erweiterung des Formalismus, die das Modell von Wasser in DFTB verbessert und verbleibende Probleme bei der Beschreibung von Dispersionswechselwirkungen behebt.

Ein weiteres Defizit in nicht-bindenden Wechselwirkung von DFTB stellt die deutliche Unterschätzung von intramolekularen Rotationsbarrierendar. Diese sind entscheidend bei der Proteinfaltung oder ähnlichen Konformationsänderungen von Biomolekülen wie DNA oder Membranen. Das nicht-empirische Funktional von Perdew, Burke and Ernzerhof [7], das als Grundlage zur Berechnung der Hamiltonmatrixelemente in DFTB dient, zeigt bereits eine deutliche Unterschätzung von Rotationsbarrieren. Zusätzlich verschlechtert wird diese Situation durch die (für den Großteil der Atome) minimalen Basissets, da das Fehlen von virtuellen Orbitalen eine Unterschätzung der Paulirepulsion zur Folge hat. Da man jedoch zur Vermeidung von zustätzlichem Rechenaufwand keine Polarisationsfunktionen hinzufügen möchte, soll hier eine kostengünstige, allgemeine Lösung gefunden werden.

In meiner Promotion sollen daher also Korrekturen für diese bestehenden Defizite speziell in biologisch-chemischen Systemen entwickelt werden. Spezielle Bereiche von DFTB, die von den neuen Korrekturen profitieren können, sind:

  - Van-der-Waals Komplexe: Eine bessere Beschreibung sterischer Wechselwirkungen und Miteinbeziehung des Ladungseinflusses auf die Struktur und Energie dieser biologisch sehr wichtigen, schwach gebundenen Komplexe ist zu erwarten und ein wesentliches Ziel des Forschungsvorhabens.

  - Geladene supramolekulare Komplexe: Die Koordination von (de-)protoniertem Wasser oder solvatisierten Ionen lässt sich mit DFTB nur schwer darstellen. Gleichzeitig existiert eine Konkurrenz zwischen guter Darstellung von Strukturen und hinreichender Wiedergabe von Bindungsenergien. Implementation einer Erweiterung der DFTB Hamiltonmatrixelemente (sog. on-site Integrale) in der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Thomas Niehaus (Website: siehe unten) zeigt, dass diese Komplexe somit ohne die bisher verwendete empirische "Gamma H" Funktion mit vergleichbarer Genauigkeit wiedergegeben werden. Die Ladungskorrektur könnte dies zusätzlich unterstützen.

  - Wassermodell: Die bereits gennante Korrektur zur  langreichweitigen Pauli-Repulsion soll die Überkoordination von Wasser verhindern und die Entstehung von Leerräumen in Simulationen beseitigen, sodass neben Biomolekülen auch die Umgebung eben jener mit DFTB korrekt simuliert werden kann.

  - Rotationsbarrieren: Proteinfaltung und ähnliche konformelle Änderungen während des Zeitraumes einer Simulation sollen korrekt wiedergegeben werden können. Eine Basissetkorrektur zur Darstellung von Polarisationsfunktionen soll die fehlende Pauli-Repulsion hinzufügen und die zu niedrigen Barrierenhöhen angleichen.

  - Winkelabhängige Potentialflächen: In DFTB werden Alkalimetall-Alkoholatkomplexe unzureichend beschrieben. Dies ist ebenfalls ein Fehler, der seine Ursache in der Verwendung eines minimalen Basissatzes findet. Dies soll nun über gerichtete Ladungsdarstellung an einem Atom, also korrekter Dipol-Wechselwirkungen, mit der Multipolerweiterung korrigiert werden.

  - Reaktionen: Einige Arten von Reaktionen, beispielsweise Protonentransferbarrieren, werden nicht hinreichend von DFTB wieder gegeben. Die on-site Integrale sind vielversprechende Kandidaten, um diese Probleme zu beheben.

Nach der Implementierung sowie dem Testen und Parameterisieren dieser Erweiterungen in populäre DFTB Programme soll schließlich eine neue komplette Parameterisierung aller Elemente mit neuen Methoden, die im Arbeitskreis von Prof. Dr. Henryk Witek entwickelt wurden, erfolgen. Diese behebt unter anderem auch eine alte Problematik von DFTB, die dazu führt, dass das hinreichend gute Reproduzieren von Energien und Frequenzen nicht möglich war. Eine erste Zielsetzung hierfür sollen die Elemente Wasserstoff, Kohlenstoff, Stickstoff, Sauerstoff, Fluor, Phosphor, Schwefel und Chlor sein, jedoch soll der Zeitplan hierbei flexibel genug sein, um die Anzahl der Elemente zu reduzieren oder noch weitere Elemente hinzuzufügen.

 

Prof. Dr. Thomas Niehaus, Elektronendynamik in komplexen Systemen:

http://www.physik.uni-regensburg.de/forschung/niehaus/index.html

Prof. Dr. Henryk Witek, Theoretische- und Quantenchemie, Angewandte lineare

Algebra, Störungstheorie: http://imols.nctu.edu.tw/people/bio.php?PID=44

 

[1] M. Elstner, D. Porezag, G. Jungnickel, J. Elsner, M. Haugk, T. Frauenheim, S. Suhai, and G. Seifert Phys. Rev. B 58 (1998) 7260.

[2] M. Gaus, Q. Cui, and M. Elstner J. Chem. Theory Comput. 7 no. 4, (2011) 931.

[3] M. Elstner Theor. Chem. Acc. 116 (2006) 316.

[4] M. Elstner, P. Hobza, T. Frauenheim, S. Suhai, and E. Kaxiras J. Chem. Phys. 114 (2001) 5149.

[5] T. H. Choi, R. Liang, C. M. Maupin, and G. A. Voth J. Phys. Chem. B 117 (2013) 5165.

[6] P. Goyal, M. Elstner, and Q. Cui J. Phys. Chem. B 115 (2011) 6790.

[7] J. P. Perdew, K. Burke, and M. Ernzerhof Phys. Rev. Lett. 77 (1996) 3865.